Konkurrentenklage - Stellenbesetzungsverfahren bei Einstellung, Beförderung und Aufstieg
Um die Herausforderungen des beamtenrechtlichen Rechtsschutzes bei Konkurrentenstreitigkeiten im Rahmen der Vergabe von Ämtern bei Einstellung, Beförderung und Aufstieg verstehen und meistern zu können, ist es hilfreich, drei diese Auseinandersetzungen prägende Prinzipien zu kennen:
- die Organisationshoheit des Dienstherrn,
- das Leistungsprinzip und
- den Grundsatz der Ämterstabilität.
Organisationshoheit der Dienstherren
Ob der Dienstherr eine freie, besetzbare Planstelle schafft und ob er sie besetzt oder u.a. aus fiskalischen Gründen nicht besetzt, liegt allein in seinem Organisationsermessen. Er hat die Organisationshoheit. Daher gibt es grundsätzlich keinen Anspruch auf Schaffung einer neuen, freien Planstelle. Auch die Entscheidung, ob überhaupt eine Stellenbesetzung erfolgen soll, ist grundsätzlich nicht justiziabel.
Leistungsprinzip
Erst wenn der Dienstherr eine freie, besetzbare Planstelle geschaffen hat und diese besetzen will, hat er dies grds. unter Beachtung des Leistungsprinzips zu tun. Das Leistungsprinzip ist in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verankert und besagt:
Art. 33 Abs. 2 GG
Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
Diese Norm wird durch weitere beamtenrechtliche Regelungen wie § 9 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ergänzt:
§ 9 BeamtStG
Ernennungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.
Hieraus ergibt sich aus Sicht des Dienstherrn, dass beamtenrechtliche Ernennungen, insbesondere Einstellungen, Beförderungen und Aufstiegsentscheidungen nach Leistungsgesichtspunkten erfolgen müssen und nicht willkürlich erfolgen dürfen. Umgekehrt ergibt sich hieraus aus Sicht des Bewerbers, dass grundsätzlich ein Recht auf Einbeziehung in die Auswahlentscheidung und auf korrekte Durchführung des Auswahlverfahrens unter Berücksichtigung des Leistungsprinzips besteht. Der Mitbewerber hat also einen Anspruch auf fehlerfreie Auswahlermessensentscheidung unter Beachtung des Leistungsprinzips (Bewerbungsverfahrensanspruch).
Grundsatz der Ämterstabilität
Ernennungen sind als Verwaltungsakte streng formgebunden. Es gilt nach § 8 Abs. 2 BeamtStG die Urkundsform. Zudem gilt der beamtenrechtliche Grundsatz der Ämterstabilität. Danach soll eine einmal vollzogene Ernennung rechtsbeständig sein und nur in engen Ausnahmefällen wieder Rückgängig gemacht werden können. Hintergrund ist unter anderem, dass der Ernannte auf den Bestand der Ernennungsentscheidung vertrauen können soll. Auch die Allgemeinheit soll sich sicher sein dürfen, dass einem Beamten die Übertragenen Funktionen tatsächlich zustehen. Der Grundsatz der Ämterstabilität hat aber zur Folge, dass nicht ausgewählte Konkurrenten nach erfolgter Ernennung nur noch in extremen Ausnahmefällen Rechtsschutz erhalten und die besetzte Stelle wieder frei bekommen können. Rechtsschutz ist somit grundsätzlich im Eilverfahren im Vorfeld der Ernennung zu ersuchen. Das Verfahren ist dabei grundsätzlich nicht darauf gerichtet, selbst ernannt zu werden, sondern die Ernennung des Konkurrenten bis zu einer rechtmäßigen, verfahrensfehlerfreien Auswahlentscheidung zu verhindern. Es wird oft als „Konkurrentenklage“ bezeichnet. Das Bundesverwaltungsgericht beschreibt dies in seinem Urteil vom 04.11.2010 -
2 C 16.09, Rn. 31 wie folgt:
„Es muss sichergestellt sein, dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann, das den inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG genügt. Hierfür hat sich eine Praxis der Verwaltungsgerichte herausgebildet, die den gerichtlichen Rechtsschutz in den Zeitraum zwischen der Auswahlentscheidung und der Ernennung verlagert. Ein unterlegener Bewerber ist zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf verwiesen, eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu beantragen, durch die dem Dienstherrn die Ernennung des ausgewählten Bewerbers untersagt wird. Erwächst eine einstweilige Anordnung dieses Inhalts in Rechtskraft, so muss der Dienstherr das Auswahlverfahren, wenn er es nicht zulässigerweise abbricht, je nach Inhalt und Reichweite des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG vollständig oder teilweise wiederholen und auf der Grundlage des wiederholten Verfahrens eine neue Auswahlentscheidung treffen (vgl. zum Abbruch: Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C 21.95 - BVerwGE 101, 112 <115>). Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber erst ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. Ein Hauptsacheverfahren findet dann wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt.“
Mitteilung an Konkurrenten
Um diese Konkurrentenklage zu ermöglichen, sieht die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte vor, dass der Dienstherr vor der Ernennung des ausgewählten Bewerbers unterlegene Bewerber über die Auswahlentscheidung informieren muss (Konkurrentenmitteilung) und nach erfolgter Mitteilung bis zur Ernennung des ausgewählten Bewerbers eine angemessene Wartefrist einhalten muss. Das Bundesverwaltungsgericht sieht in seinem Urteil vom 04.11.2010 - 2 C 16.09, Rn. 34 wird eine Wartefrist von (wenigstens) zwei Wochen ab Zugang der Konkurrentenmitteilung als angemessen an:
„Zunächst muss der Dienstherr die Auswahlentscheidung vor der Ernennung den unterlegenen Bewerbern mitteilen (Urteile vom 1. April 2004 - BVerwG 2 C 26.03 - Buchholz 237.8 § 10 RhPLBG Nr. 1 S. 2 f. und vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 A 7.06 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44 Rn. 20). Danach muss er eine angemessene Zeit zuwarten, damit die Unterlegenen das Verwaltungsgericht anrufen können. In der Praxis der Verwaltungsgerichte hat sich eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet. Beantragt ein Bewerber rechtzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung, darf der Dienstherr die Ernennung erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vornehmen (Urteil vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <374 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 27 S. 10 f.).“
Eilverfahren nach § 123 VwGO - Konkurrentenklage
Wenn Sie also in einem Auswahlverfahren die Konkurrentenmitteilung erhalten und erfahren, dass Sie nicht zum Zuge gekommen sind, müssen Sie extrem schnell handeln. Ich unterstütze Sie gern. Am besten senden Sie hierzu
- die Stellenausschreibung,
- Ihre Bewerbung,
- die Konkurrentenmitteilung sowie
- Informationen dazu, weshalb Sie von Fehlern im Verfahren ausgehen und der Ansicht sind, dass Sie nach Leistungsgesichtspunkten besser geeignet sind als die ausgewählten Konkurrenten
als PDF per Mail.
Auch wenn in Ihrem Falle ein Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen wurde oder wenn es sich um die Vergabe von Dienstposten dreht, bin ich Ihnen gern behilflich. Allerdings gestaltet sich das Vorgehen hier vielfach noch komplizierter.
Berufungsverfahren und Konkurrentenstreitverfahren bei Professuren, Juniorprofessuren oder Tenure-Track-Verfahren
Auf Grund meiner Tätigkeit im Hochschulrecht begleite ich selbstverständlich auch (angehende) Professorinnen und Professoren in Konkurrentenstreitverfahren. Die für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren entwickelten Grundsätze gelten mit einigen Besonderheiten auch für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung von Professorenstellen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat dies in seinem Beschluss vom 06.08.2018 - 2 B 10742/18, Rn. 7f. wie folgt dargelegt:
„Auch beim Statusamt eines Professors an einer Universität hat sich die Auswahlentscheidung nach den in Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 19 LV genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu richten. Die für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren entwickelten Grundsätze gelten insoweit in gleicher Weise für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung von Professorenstellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. März 2014 - 1 BvR 3606/13 -, NVwZ 2014, 785 Rn. 15 ff.; BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 2 C 30/15 -, juris Rn. 17; OVG RP, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 2 B 10755/12.OVG -, S. 1 des Beschlussabdrucks [BA] m.w.N.; vgl. auch OVG RP, Beschluss vom 28. September 2007 - 2 B 10825/07.OVG u.a. -, juris Rn. 2 ff.).
Dabei ist allerdings zu beachten, dass die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte zurückgenommen ist. Da das Auswahlverfahren der Hochschullehrer die eigentlichen Träger der freien Forschung und Lehre innerhalb der Universität bestimmt und deshalb mit der Garantie der Wissenschaftsfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 39 Abs. 1 LV besonders eng verknüpft ist, steht der Hochschule grundsätzlich eine verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zu. Die Auswahlentscheidung kann dementsprechend gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, etwa weil die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2016 - 2 C 30/15 -, juris Rn. 20; BayVGH, Beschluss vom 16. März 1998 - 7 ZE 97.3696 -, juris Rn. 23; OVG RP, Beschluss vom 9. Oktober 2012 - 2 B 10755/12.OVG -, S. 6 des Beschlussabdrucks [BA], jeweils m.w.N.). Dies gilt vor allem und in erster Linie für die Feststellung und Beurteilung der wissenschaftlichen Eignung und der notwendigen Lehrbefähigung der Bewerber. Dadurch wird gleichzeitig die Einwirkung anderer staatlicher Stellen in den Prozess der "Selbsterneuerung" der Hochschulkorporation im Lichte der Vorgaben von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 39 Abs. 1 LV begrenzt (vgl. Brocker, RiA 1993, 271 [272] m.w.N.).“